Augsburg
Vom Dorf zur Kleinstadt
Vor 100 Jahren wurde Kriegshaber ein Stadtteil von Augsburg. Aktuell leben dort mehr als 18500 Menschen. Wie die Stadt auf das weitere Wachstum reagiert
Von Andrea BaumannBernhard Radingers Wohnhaus stand bereits, als Kriegshaber noch ein eigenständiges Dorf war. Sein Urgroßvater hatte es um 1900 erworben. Auf den Tag genau seit 100 Jahren, seit 1. April 1916, ist Kriegshaber ein Stadtteil von Augsburg. Vor 100 Jahren lebten dort 4764 Menschen. Mittlerweile sind hier mehr als 18500 Frauen, Männer und Kinder zu Hause. Das „Dorf“ hat sich zu einer respektablen Kleinstadt gemausert – im benachbarten Stadtbergen mit allen Ortsteilen sind es ein paar Tausend Einwohner weniger.
Durch die Eingemeindung wuchs Augsburg um 301 Hektar. An den Ausmaßen Kriegshabers hat sich seither nicht allzu viel geändert, sieht man einmal vom Quartier rund ums Klinikum ab. Dass in Krieghaber immer mehr Menschen leben, liegt vielmehr daran, dass zum einen Brachflächen bebaut wurden. Zum anderen liegt das starke Wachstum insbesondere in den vergangenen zwei Jahrzehnten an den Neubaugebieten auf den ehemaligen Militärarealen Flak- und Reesekaserne. Auch die früheren amerikanischen Wohngebiete beidseits der Bürgermeister-Ackermann-Straße tragen dazu bei, dass „Kriegshaber zusammen mit dem Textilviertel und Pfersee der sich am dynamischsten entwickelnde Stadtteil sein dürfte.“ So drücken es die Fachleute vom Stadtplanungsamt aus. Allein aufs Reese-Areal seien seit 2013 mehr als 830 neue Bewohner gezogen. Darunter viele Familien mit Kindern, die Kriegshaber zum jüngsten Stadtteil Augsburgs machen.
Neue Bauflächen am Dehner-Park
Mehr Menschen benötigen eine engmaschigere Infrastruktur. Die Schule Centerville-Süd und neue kirchliche sowie soziale Einrichtungen entstanden in den ehemaligen amerikanischen Wohngebieten. Aktuell wird Augsburgs größte Grundschule in der Ulmer Straße erweitert, um den für die nächsten Jahre prognostizierten Schülerzuwachs auffangen zu können. Denn ein Ende des Zustroms in den westlichen Stadtteil ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Das Amt für Statistik und Stadtforschung geht davon aus, dass 2025 in Kriegshaber mehr als 21000 Menschen leben. Unter anderem dürfte das an den neuen Bauflächen am Dehner-Park liegen, wo bis zu 350 weitere Wohneinheiten geplant sind.
In puncto Freizeit- und Erholungsflächen hat sich der Stadtteil in den vergangenen Jahren weiterentwickelt: Nach dem kleineren Osterfeldpark über dem B-17-Deckel ist gerade die Parkanlage auf dem Reese-Gelände am Entstehen. Das Angebot an Einkaufsmöglichkeiten hält noch nicht Schritt mit den Bedürfnissen der wachsenden Bevölkerung. Viele Kriegshaberer, die nicht das kleine Einkaufszentrum beim ehemaligen Supply-Center ansteuern, fahren nach Stadtbergen oder Neusäß, um sich mit den Dingen des täglichen Bedarfs einzudecken. „Wenn nur die Nahversorgung nicht so ein Problem wäre“, sagt etwa Antonia Schäfer. Sie wohnt in der Nähe von St. Thaddäus und damit im Einzugsgebiet des seit Langem versprochenen Nahversorgungszentrums im Norden des Reese-Areals. Bauherrin ist die städtische Wohnungsbaugesellschaft, die in dem Komplex auch rund 150 neue Wohnungen schaffen will. 2017 werde es voraussichtlich losgehen, stellt WBG-Chef Mark Dominik Hoppe in Aussicht. Die WBG will auch das Linde-Areal im Zentrum des alten Ortskerns zwischen Spectrum, der ehemaligen, renovierten Synagoge und dem mit einer neuen Aussegnungshalle ausgestatteten Friedhof bebauen. Damit verschwindet ein Schandfleck, der vielen ein Dorn im Auge ist.
Vertraute Strukturen
Schräg gegenüber befindet sich das Pfarrheim Heiligste Dreifaltigkeit. Dass dieses noch steht, ist den Mitgliedern der katholischen Gemeinde zu verdanken. Sie stemmten sich gegen den Abriss des intakten Pfarrzentrums zugunsten eines Hospiz-Neubaus – mit Erfolg. Denn bei all dem Neuen – etwa die Stadtteilbücherei mit Bürgerbüro in den ehemaligen Kuka-Hallen – hängen die Kriegshaberer auch an vertrauten Strukturen.
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